Georg Plank

… neue Normalität?

Interview mit der WOCHE Steiermark April 2020

Die neue Normalität – wie wird sie aussehen?

Unsere Welt wie wir sie kennen, hat eine „Vollbremsung“ hingelegt. Jetzt werden schrittweise Beschränkungen wieder gelockert, ein langsamer Weg zurück zur Normalität. Viele Politiker und Experten sprechen aber von einer „neuen Normalität“, davon, dass nach der Corona-Krise vieles anders sein wird: im politischen, im ökonomischen, aber auch in vielen gesellschaftspolitischen Bereichen. Die WOCHE möchte dieser „neuen Normalität“ in Gesprächen mit Meinungsbildnern auf den Grund gehen.

„Nach der Krise wird nichts mehr so sein wie vorher.“ Wie stehen Sie zu diesem Satz?

GP: Derart absolute Feststellungen teile ich nicht. Vieles wird – keiner weiß genau wann – wieder in alte Muster zurückpendeln, auch manch Überholtes. Ich persönlich hoffe bei allem Leiden und Problemen, dass möglichst viele neue Chancen zur Verbesserung der Welt entdecken und mutig ergreifen.

Ständig wachsender Wohlstand war für uns alle eine Selbstverständlichkeit. Wird sich daran nach der Krise etwas ändern?

GP: Tatsächlich zeigen Statistiken, dass nie alle vom Wohlstandswachstum profitieren, weder in reichen noch in armen Gesellschaften. Auch bei uns gibt es Gruppen mit Reallohnverlusten, gerade die aktuell hochgelobten Berufe. Das ist unethisch und muss überwunden werden. Ich hoffe auf mehr vernünftigen Ausgleich, dafür gibt es auch viele gute Ideen. Das ist übrigens keine Frage von Ressourcen, sondern der Gerechtigkeit und Menschenwürde.

Werden wir eine neue Bescheidenheit lernen müssen?

GP: Mit oder ohne Corona: Ja und nochmals ja, denn viele von uns verbrauchen einen unverantwortlich großen Anteil an unserer „Mutter Erde“. Bescheidenheit erlebe ich übrigens seit meiner Jugend nicht als moralische Forderung, sondern als Hilfe zu einem guten Leben. Ich kann den Sonnenaufgang vor unserem Haus genauso genießen wie an einem touristischen Hotspot. Ich nutze lieber mein Fahrrad als das Auto. Für mich ist das wahrer Luxus.

Hat die Krise die Gesellschaft verändert, werden andere, neue Werte und „Tugenden“ eine größere Bedeutung bekommen?

GP: In Krisen „zeigen Menschen ihr wahres Gesicht“, wie es der Bestsellerautor und Psychologe Michael Lehofer neulich ausdrückte.  Egoisten verhalten sich noch selbstbezogener und selbstlose Menschen entwickeln noch mehr Nächstenliebe und Solidarität. Ich erwarte mir politische Rahmenbedingungen, die zweiteres fördern, dann kann die Gesellschaft gestärkt aus der Krise hervorgehen.

Ist Corona die „gerechte Strafe“ für unseren zu wenig sorgfältigen Umgang mit der Natur und ihren Ressourcen?

GP: Strafe ist das falsche Wort. Da schwingt der „strafende Gott“ alter Zeiten mit. Das ist nicht der Gott Jesu Christi! Ich halte es auch falsch zu sagen: Die Natur rächt sich! Nein, unser Verhalten als Teil des gesamten Ökosystems hat schlicht und einfach Konsequenzen, ob wir das wahrhaben wollen oder nicht. Jede Krise kann uns helfen, das ehrlich zu sehen und unser Verhalten zu ändern.

Werden wir auf Klimaschutz verzichten müssen, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln?

GP: Im Gegenteil: Global und lokal hat auch die Wirtschaft nur dann Zukunft, wenn sie jetzt die Krise als Chance zum „system change“ sieht. Förderungen sollen konsequent an die überlebensnotwendige Transformation zu nachhaltigem, klimagerechtem und sozialem Wirtschaften gebunden sein. Zurück zu einem „more of the same“ ist tödlich für alle.

Österreich galt lange als Insel der Seligen, die stark vom internationalen Austausch profitiert hat. Was passiert, wenn das nicht mehr möglich ist?

GP: Die Welt wird und soll vernetzt bleiben. Weder schrankenlose Globalisierung noch ein nationalistisches Einigeln sind vernünftig. Kardinal Schönborn stellte die Frage, ob Konzerne weltweit „Gewinne abgrasen“ sollen, ohne Steuern zu bezahlen. Das werde nach der Krise hoffentlich nicht so weitergehen. Der Kardinal hält internationale Solidarität für ein „Gebot der Stunde“, allerdings mit einer starken regionalen Verwurzelung.

Werden wir uns von einem offenen Europa wieder hin zu einem starken Nationalstaaten-Denken bewegen?

GP: Gewinne nationalisieren, Versagen europäisieren: Auf dieser alten Leier spielen leider viele Politiker und auch manche Medien. Bei aller Kritik sehe ich keine Alternative zu einem starken, solidarischen und zugleich subsidiären Europa. Wir sind Europa! Vielfalt und Buntheit sind wertzuschätzen, globale Probleme erfordern aber mehr entschlossenes und einiges Vorgehen statt Provinzialismus.

Haben Sie Sorgen, dass rechtsstaatliche Eingriffe auch nach der Krise verstärkter zum Einsatz kommen?

GP: Der Staat muss seine BürgerInnen schützen, das ist eine seiner Hauptaufgaben. Die Wahl der Mittel muss verfassungskonform und dem Einzelnen zumutbar sein und bleiben. Wenn ehrlicher Diskurs und breite Akzeptanz fehlen, bleiben letztlich die schärfsten Eingriffe wirkungslos. Das haben schon viele Despoten zur Kenntnis nehmen müssen.

Wer wird von der Krise profitieren, wer wird gestärkt aus dieser Zeit hervorgehen?

GP: Tristan Horx hat da vier mögliche Szenarien beschrieben, die sich aus den Polen von „verbunden“ und „getrennt“ sowie „optimistisch“ und „pessimistisch“ ergeben. Ich selber schließe mich Hans Rösling, dem Autor von „Factfulness“ an und sehe mich als Possibilist. Ich möchte gerade in Krisen die Probleme sehen und Lösungen erarbeiten, darüber hinaus aber auch neue Möglichkeiten wahrnehmen. Wer seinen Blick weitet, wird viele neue, unerwartete Chancen entdecken!

Und wer werden die Verlierer sein?

GP: Ich fürchte, die eh schon Schwächeren. Aber ich hoffe inständig, dass der Einfluss derer abnimmt, denen der persönliche Eigennutz wichtiger ist als das Gemeinwohl.

Was lässt Sie schlecht schlafen, welches Problem liegt ganz obenauf?

GP: Unsere Familie war nach Weihnachten mit Weltweitwandern in Äthiopien – ein fantastisches, wunderschönes und bitterarmes Land. Kurz danach begann dort eine schreckliche Heuschreckenplage. Ich erschaudere, wenn ich mir vorstelle, dass das Coronavirus sich in solchen Ländern exponentiell auszubreiten beginnt!

Ganz persönlich glaube ich …

GP: Da zitiere ich noch einmal Michael Lehofer: „Die Zukunftsangst ist nichts anderes als eine Glaubenskrise.“ Er meint das nicht nur religiös. Persönlich fühle ich mich getragen und kann vertrauensvoll hoffen: Ich glaube. Es wird gut!

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